[Zürich / Wien] Apple ist eine Religion, Steve Jobs ihr Papst und seine Jünger glauben nur noch, statt vernünftig zu denken. Zu diesem Schluss kommen US-Kommunikationsforscher in der Zeitschrift “New Media & Society”. Anlass der Studie ist die unglaubliche Erwartungshaltung, mit der die Welt der Auslieferung des iPhone 4 entgegengefiebert hat. “Apple erzeugt bei den Fans religionsähnliches Verhalten. Die Fangemeinde vertraue Jobs Produkten, ganz gleich welche technischen Mängel sie aufweisen”, erklärt Studienautorin Heidi Campbell.
Apples Geschichte hat viele Elemente einer traditionellen Religion. “Alles nahm in einer bescheidenen Garage seinen Anfang, ähnlich wie im Stall von Bethlehem. Steve Jobs wurde einem Messias gleich, als er von seiner Firma gefeuert wurde und dann zurückkam, um sie zu retten. Zudem hat Apple einen bösen Widersacher, der zunächst von Microsoft und jetzt von Google verkörpert wird”, so Campbell. Apple pflegt dieses Image penibel, gestaltet seine spartanischen, weißen Stores als Kirchen der Hightech-Generation und stilisiert seine Produkte zu religiösen Kultobjekten. Deshalb nennt Campbell das iPhone auch “Jesus-Phone”.
“Hightech-Produkte wurden früher mit ihren Features beworben. Heute zählt die Emotion”, so Markenexperte Stefan Vogler. Erst durch Apple sei dieser Fokus des Marketings in den Bereich Business-to-Consumer gelangt. “Der Sympathieaufbau wurde lange Zeit geprägt durch den Vergleich des kleinen Davids, der gegen den Riesen Goliath kämpft. Durch exklusives Design und Nutzerorientiertheit hat Apple aus technischen Produkten Konsumprodukte des Alltags gemacht, die nicht mehr aus dem Leben wegzudenken sind.”
Auch Vogler schließt sich Campbells religiöser Interpretation an. “Apple ist wahrscheinlich eine der wenigen verbindenden Weltreligionen”, so der Experte. Hinweise dafür sieht er in den Apple-Fans, die zu Telekom-Läden pilgern und davor campieren, um so früh wie möglich in den Genuss eines neuen Apple-Produkts zu gelangen. “Apple-Produkte vermitteln einen Status, besonders wenn bei den Meetings die Handys auf den Tisch gelegt werden. Wer nicht zur Apple-Community gehört, wird beinahe ausgeschlossen. Zudem löst es, wie bei einem religiösen Bekenntnis, Diskussionen aus, wenn man sich als Apple-Fan outet.”
Noch tiefer geht der Wiener Gestaltungs- und Wirkungsforscher Peter Fleissner in seiner Analyse. “Technik lässt Träume real erscheinen”, so der Experte. Werbekampagnen laden laut Fleissner die Hightech-Artikel mit Erwartungen auf. “Wünsche entstehen, bei denen es nicht mehr um individuelle Bedürfnisse geht. Ziel ist viel mehr der Nachvollzug der Werbebotschaften.” Bedenklich sei dabei, dass statt der zwischenmenschlichen Dimension nur noch die Ebene Mensch und Gegenstand bedient wird. (EANN)