In beinahe jeder Auseinandersetzung mit dem Islam wird früher oder später auch die Frage nach der Stellung der Frau angesprochen. Oft geht es dann um das Kopftuch – oder auch um Zwangsverheiratung und Ehrenmorde.
Im Rahmen der „Marienhöher Impulse“ konnten die Teilnehmer am 17. Mai dazu nun die Sichtweise einer überzeugten und engagierten Muslima kennenlernen – Senay Altintas, Dipl.-Ing, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Emir-Sultan-Moschee in Darmstadt und im interreligiösen Dialog engagiert.
In ihrem Vortrag versuchte sie, zwischen der eigentlich islamischen Sicht und den kulturell gewachsenen Traditionen zu unterscheiden und machte darauf aufmerksam, dass Mohammed die Stellung der Frau in der arabischen Gesellschaft entscheidend verbessert habe. Dabei wies Frau Altintas zunächst auf grundlegende Aussagen des Korans hin, nach denen die Frau als Partnerwesen bzw. „Zwillingsschwester“ des Mannes geschaffen worden ist. Daher gebe es zwischen Männern und Frauen in ihrem Menschsein und in ihrer Wertigkeit keinen Unterschied.
Auf dieser Grundlage schilderte sie die Rechte der Frau nach islamischem Verständnis, z. B. die Persönlichkeitsrechte, das Recht auf Bildung, das Unterhaltsrecht. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass die Hauptaufgabe der Frau in Haus und Familie liege. Außerdem komme dem Mann die Führung der Familie zu.
Im letzten Teil ihres Vortrags versuchte sie, allgemein verbreitete Missverständnisse zu beseitigen und schwierige Koranstellen zu erklären. In schnellem Tempo ging es dabei um Polygamie, den Wert der Zeugenaussage einer Frau, das Kopftuch, den Ehrenmord und die Zwangsheirat. Dabei blieben sicher Fragen offen, aber es entstand der Eindruck, dass wir diese Fragen differenzierter betrachten müssen und manche Aussagen des Korans vermutlich nicht so frauenfeindlich gemeint sind, wie sie oft verstanden werden.
Ehrlicherweise wies Frau Altintas abschließend darauf hin, dass es bei diesem Thema eine große Kluft zwischen dem Ideal und der Realität in den islamisch geprägten Ländern gäbe. Eigentlich sei das Ideal nur in der Frühzeit des Islam umgesetzt worden. Es gäbe aber einige positive Ansätze in der Gegenwart.
Dabei erteilte sie aber dem Feminismus eine klare Absage. Es könne nicht darum gehen, eigene Vorstellungen zur Stellung der Frau zu entwickeln. Maßstab sei vielmehr die göttliche Offenbarung – mit der Folge, dass man auch die Aussagen zu akzeptieren habe, die zumindest auf den ersten Blick nicht einleuchten.
Anschließend fand eine lebendige Aussprache statt, in der sich Schüler und Erwachsene gleichermaßen zu Wort meldeten. Alles in allem ein gelungener Abend, der zum Nachdenken angeregt hat – und dazu, gängige Meinungen zu hinterfragen.
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Der Beitrag ist der Marienhöher Allgemeinen Zeitung (MAZ), Ausgabe 9, Juni 2011 entnommen.