Exklusivinterview mit dem Drehbuchautor und Produzenten Christoph Silber zum Deutschlandstart von NIE MEHR OHNE DICH.
Christoph, wie schafft man als Drehbuchautor den Spagat vom “Tatort” zur „schönsten Liebesgeschichte des Jahres“?
CS: Meine Leidenschaft fürs Geschichtenerzählen entspringt eher dem Interesse an den Menschen, die darin vorkommen, als an einem bestimmten Genre. Ich bin am Theater aufgewachsen und daran gewöhnt, à la Shakespeare zwischen den Gattungen hin und her zu springen. Letztlich geht es immer um Menschen und deren ganz eigene Lebensreise.
Als im Juli 2010 in New York die Dreharbeiten zu NIE MEHR OHNE DICH begannen, lag die erste Bankenkrise gerade hinter uns. Mit der Occupy-Bewegung erleben wir zurzeit das Aufbegehren gegen die Geißelung durch die Finanzmächte. Wie glaubwürdig wirkt da die Romanze zwischen dem skrupellosen Bankmanager Niklas (Ken Duken) und der Pastorentochter Leticia (Nicole Beharie)?
CS: Unsere Leticia hat ihren eigenen Kopf, sie fordert Niklas gleich bei ihrem ersten längeren Gespräch mit Worten heraus, die auch von einem Occupy-Sympathisanten stammen könnten. Dann erleben wir mit, wie die Liebe ihre Abwehrkräfte bröckeln lässt, bis… aber ich will nicht zu viel von der Geschichte verraten.
NIE MEHR OHNE DICH bricht mit dem quasi postmodernen Tabu, Glauben und Moral zur Bewertung intimer Beziehungen heranzuzuziehen. In den USA wird der Film (engl. Titel: MY LAST DAY WITHOUT YOU) hoch gelobt und wurde unter anderem als beste Produktion 2011 beim Brooklyn-Filmfestival ausgezeichnet. Worin unterscheiden sich die amerikanischen Kinogänger von den deutschen?
CS: Dieser Glaubensbezug ist gar nicht bewusst konzipiert, sondern der Realität geschuldet. Wer wie ich lange in Brooklyn gelebt hat, wird das verstehen. Viele Deutsche haben sicher eine andere Vorstellung von Amerika, die eher ihrem Weltbild und gewissen Klischees entspricht und die sie bestätigt finden wollen. Die Amerikaner geben sich im Kino vielleicht mehr hin.
Die junge Hauptdarstellerin Nicole Beharie hat 2008 mit dem sozialkritischen Film AMERICAN VIOLET ihr Debut gegeben. Nehmen wir einmal an, es gäbe so etwas wie ein „idealistisches Genre“. Worin liegt die Herausforderung, eine überzeugende Besetzung zu finden, wie es mit der leidenschaftlich und temperamentvoll spielenden Beharie offensichtlich gelungen ist?
CS: Den idealen Schauspieler zu finden ist ein wenig, wie die große Liebe zu entdecken: Wenn er oder sie vor einem steht, dann weiß man es einfach instinktiv. So ging es mir und meinen Mitproduzenten auch bei Nicole. Inzwischen sind wir gute Freunde und all meine Instinkte haben sich bestätigt – sie ist nicht nur eine geniale Schauspielerin und Sängerin, sondern auch ein hoch engagierter und kluger Mensch.
Deine Filme zeichnen sich durch eine hohe emotionale Dichte aus. Wer NIE MEHR OHNE DICH gesehen hat, kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen – die Geschichte brennt nach, man wird davon träumen. Woher kommt dieses authentische Miterleben? Bist du ein Teil der Story?
CS: Es gibt viele Gründe, warum Leute schreiben. Ich gehöre zu denen, die schreiben müssen, in mir hat es immer gebrannt. Das finde ich in meinen Figuren wieder und im besten Fall überträgt es sich auf die Zuschauer. NIE MEHR OHNE DICH ist insofern besonders, als die Geschichte stark von meinem eigenen Leben inspiriert ist. Mein Schlüssel ist aber für jedes Buch, mich selbst darin zu finden.
Als Co-Autor von GOOD BYE, LENIN, der 2003 in die Kinos kam, ist dir der internationale Durchbruch gelungen. Der Film zählt zu den erfolgreichsten Produktionen in deutschen Kinos. Was erwartest du von NIE MEHR OHNE DICH?
CS: Große Filme haben große Kampagnen – GOOD BYE LENIN und NORDWAND, zwei meiner “Großproduktionen”, haben jeweils etwa das 15-fache von unserer kleinen Liebesgeschichte gekostet. Wir hoffen einfach nur, dass so viele Menschen wie möglich diesen Film sehen und sich davon anstecken lassen, Mut zur Liebe zu haben.
Wann und wo wirst du den Deutschlandstart erleben?
CS: Am 15. Dezember, wenn der Film startet, werde ich in Amerika sein und an einem neuen Drehbuch schreiben.
Schade, dass du aus der Ferne mitfiebern musst! – Als Produzent und Autor wünschst du dir zahllose Zuschauer, trotzdem zum Schluss meine Frage: Wer sollte sich den Film nicht ansehen?
CS: Wer es lieber düster und tragisch mag, wird bei uns sicher enttäuscht.
Das Interview führte Martin Haase (EANN)