Die einen lieben es, ihre Freizeit mit Strand, Hotel oder ganz simpel „Balkonien“ zu füllen – die anderen bauen sich ihre Urlaubsutensilien aus Holz selbst, sitzen abends gemütlich beim Lagerfeuer zusammen und lauschen dem Geheul von Wölfen in der Ferne. Vom 24. August bis 6. September 2019 nahmen solche zwölf Abenteuerlustigen an einer ganz besonderen Freizeit teil: eine Survival-Tour durch das Karpaten-Gebirge. Bereits der Start war ein Erlebnis für sich. Nach über zwölf Stunden Fahrt mussten wir an der rumänischen Grenze feststellen, dass unserem Leiter David Buró unterwegs seine Tasche mit einer Reihe wichtiger Unterlagen abhandengekommen war und er nun nicht weiter mitkonnte … Ohne Leiter in die rumänischen Berge? – „Ihr wolltet ja ‚Survival‘“, kommentierte David das Ereignis später schmunzelnd. Nach einer wahrlich abenteuerlichen Reise durch mehrere Botschaften, über Budapest, zurück nach Stuttgart, konnte er dann vier Tage später doch noch zu uns stoßen.
Für uns ging es zunächst alleine weiter. Alles, was wir für zwölf Tage dabeihatten, wurde sicher in Rucksäcken verstaut. Werkzeuge, Planen und ein Grundstock an Nahrungsmitteln mussten allerdings auch noch mit. So wurde all unsere Ausrüstung unter Schweiß und mit vielen Pausen über teils unwegsames Gelände und große Steigungen zum etwa zwei Stunden entfernten Lagerplatz im tiefen Wald geschleppt. Die einzige Wasserquelle befand sich etwa 300 Meter entfernt, etwas bergab. Wenn man also einen Unterschlupf, eine Toilette oder schlicht und ergreifend Bänke und Tische brauchte, dann musste man die selbst bauen! Duschen? Da kam nur das frische (und sehr kalte) Quellwasser infrage. Essen? Wenn man mehr als nur Bulgur wollte, musste man schauen, was der Wald noch so hergab (also Unmengen an Brombeeren zum Beispiel). Spätestens jetzt drängt sich so manchem eventuell die Frage auf: Warum macht man so etwas überhaupt?
Wenn man es nicht selbst erlebt hat, kann man es nur schwer beschreiben. Die Ruhe und Gelassenheit, die man in der Abgeschiedenheit erfährt, lässt einen wirklich durchatmen ... Ohne auf die Uhr schauen zu müssen, konnten wir die Einfachheit des Lebens genießen, frei nach dem Motto: „Mit so wenig wie möglich so viel Komfort wie möglich“. Egal ob beim „Möbel“ bauen, Kochen, Spielen, Singen, den vielen Andachten aus dem Buch Josua oder den „Gute-Nacht-Geschichten“ am Abend – eine schönere Gemeinschaft habe ich selten erlebt.
Auf dem langen Heimweg am Ende dieser besonderen Zeit freute man sich zwar auf die warme Dusche, schwelgte aber auch in Erinnerungen und tauschte sich über all das aus, was man gelernt und schätzen gelernt hatte. Manchmal, wenn ich durch die laute und hektische Stadt gehe, vermisse ich diese zwölf Tage ... sie waren definitiv mehr als nur eine Zeit, in der es darum ging zu „überleben“.
Roman Wiens, Pastor der Gemeinde Stuttgart-Mitte